- nationalsozialistische Kunst
- nationalsozialistische KunstAls die Nationalsozialisten im Januar 1933 die Macht in Deutschland »übernahmen«, bedeutete dies das abrupte Ende für die Freiheit der Kunst, die in der Weimarer Republik staatlich garantiert gewesen war. Mit neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen setzten sie bis 1936 die lückenlose Kontrolle und Überwachung sowie die politische Instrumentalisierung der als »staatswichtig« angesehenen Kunstproduktion durch. Bereits 1933 wurden die Berufsverbände in die »Reichskulturkammer« überführt, die dem »Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda« unterstand. Die Mitgliedschaft in dieser neuen Standesorganisation bildete die Voraussetzung für die Ausübung jeder künstlerischen Tätigkeit. Weil jeder Aufnahme in die »Reichskulturkammer« eine Prüfung auf »politische Zuverlässigkeit« und »rassische Abstammung« vorausging, konnten »unliebsame« Künstler von vornherein ausgeschlossen werden - die Nichtaufnahme kam einem Berufsverbot gleich.Während die organisatorische und gesetzliche »Gleichschaltung« reibungslos vonstatten ging, gab es zunächst schwerwiegende Differenzen über die Form der neuen »deutschen Kunst«, zu der etwa der Nationalsozialistische Studentenbund auch den Expressionismus zählte. 1935 setzten sich jedoch die reaktionären Kulturpolitiker durch, welche die Avantgarde der Weimarer Republik mit den Etiketten »links«, »zersetzend« und »undeutsch« versahen und ihre Werke als »Systemkunst« abqualifizierten. Viele moderne Künstler erhielten Berufsverbot, einigen gelang es zu emigrieren. Ihre Werke, die 1937 eine große Ausstellung mit dem Titel »Entartete Kunst« in diffamierender Weise präsentierte, wurden versteigert oder öffentlich verbrannt. Wichtigste Kunstpublikation war die Zeitschrift »Kunst im Dritten Reich« (ab 1939 »Kunst im Deutschen Reich«); die von 1937 an jährlich veranstaltete »Große Deutsche Kunstausstellung« im neu eröffneten »Haus der Kunst« in München gab einen Überblick über das nationalsozialistische Kunstschaffen.Auch für die Architektur, die im Nationalsozialismus die Gattungshierarchie anführte, bildeten erst die Neugestaltungspläne der Städte ab 1936/37 den entscheidenden Einschnitt. Ausgeführt wurden zuvor die 1933 begonnenen Parteibauten am Königsplatz in München und die »Versteinerung« dieses Platzes durch Paul Ludwig Troost, das Zeppelinfeld auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg von Albert Speer (1934/35), das Reichsluftfahrtministerium in Berlin von Ernst Sagebiel (1935/36) sowie das Berliner Reichssportfeld von Werner March (1934-36). Diese Bauten standen in der neoklassizistischen Architekturtradition des Wilhelminischen Deutschland und der Weimarer Republik. Schmucklose Oberflächen aus Granit oder Muschelkalk herrschten vor, plastische Gliederungselemente wurden zurückgedrängt; allein »strukturschaffende Schmuckformen« wie Pfeiler und Pilaster waren zugelassen. Bevorzugt wurden Formen, die sich auf bestimmte Momente unumschränkter Herrschaft bezogen. Auswahl und Übernahme historischer Bautypen und Architekturmotive erfolgten daher nicht nach ästhetischen Kriterien, sondern danach, ob man sie für die Vermittlung der nationalsozialistischen Weltanschauung missbrauchen konnte.An erster Stelle der Stilhierarchie stand die Staats- und Parteiarchitektur, die der architektonischen Selbstdarstellung des Regimes wie der Lenkung der Massen diente und den monumentalen Rahmen für die kultischen Inszenierungen des Systems bildete. Der Heimatschutzstil, der auf »heimatliche« und »bodenständige« Bauweisen zurückgriff, fand dagegen vor allem bei Bauten des »sozialen Lebens« Anwendung, etwa bei Schulungsheimen, Ordensburgen, Jugendherbergen oder Kasernen. Der sachliche Baustil, der bei der Industriearchitektur sehr verbreitet war, bediente sich modernster Konstruktionsweisen und Materialien.Blieben Formensprache und Proportionen der Skulptur bis 1936 im Rahmen der figürlichen Tradition, so führte danach das »neue Menschenbild« zu Änderungen in der formalen Erscheinung. Durch den rassistischen Körperkult rückte der stark modellierte Körper in das Zentrum aller plastischen Bemühungen. Überlebensgroße Figuren und einfache, fest umrissene, einprägsame Formen überwogen nun. Hoch gewachsene, breitschultrige und schmalhüftige, »standfeste« Männer mit energischem Gesichtsausdruck entsprachen dem Idealbild und sollten Kraft, Dynamik und Überlegenheit versinnbildlichen. Dem »heldischen« Mann stellte man die Frau als »Hüterin des Lebens« zur Seite. Zielten bei den Mädchendarstellungen die Posen darauf ab, sich gefällig und aufreizend zu geben, trat bei den Mutter-Kind-Darstellungen das Motiv des In-sich-Ruhens hervor. So suchte die Aktplastik geschlechtsspezifische Rollen als naturgegeben auszugeben.In der Malerei feierte die traditionelle Gattungsmalerei ihre Wiederauferstehung. Eine stilistische Entwicklung lässt sich nicht ausmachen; es dominieren die herkömmlichen Mittel künstlerischer Darstellung sowie naturalistische und »altmeisterliche« Stile, die vor allem Künstlern des 19. Jahrhunderts wie Wilhelm Leibl oder Ludwig Thoma verpflichtet sind. Lediglich die Themen und Motive folgten den Interessen und damit den Vorgaben der nationalsozialistischen Kunstpolitik. So dienten die beiden bevorzugten Gattungen - das bäuerliche Genre und die Landschaftsmalerei - dazu, das »geordnete Leben« im Dorf und die intakte Landschaft der vorindustriellen Agrargesellschaft zu glorifizieren sowie die Sehnsucht des Kleinbürgertums nach Geborgenheit, Sicherheit und überschaubaren Verhältnissen zu erfüllen. Ihre relativ kleinen Bildformate korrespondieren mit ihrer Bestimmung für das Wohn- und Schlafzimmer. Eine vergleichsweise große Bedeutung kam auch dem Porträt zu, dessen Anteil mit der Stabilisierung der nationalsozialistischen Herrschaft stetig zunahm und das an das feudale Repräsentationsbild anknüpfte. Darstellungen mit dezidiert nationalsozialistischer Thematik spielten - wie auch in der Skulptur - kaum eine Rolle, auch wenn nach 1940 die Zahl der Kriegsbilder zunahm.Prof. Dr. Joachim Petsch
Universal-Lexikon. 2012.